Chinesisch sprechen hilft, wenn Partner aus Fernost übernehmen.

Keine Angst vor China

Investoren aus Fernost verwandeln marode deutsche Mittelständler in attraktive Arbeitgeber. Wenn nur kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren nicht wären. Da hilft nur eines: Piktogramme.

Um den Führungsalltag in chinesischen Unternehmen zu beschreiben, hat Yi Sun eine griffige Formel parat: „Wer bei uns eine neue Position antritt, sollte gleich vom Start weg drei Mal Feuer legen. Das zeigt den Mitarbeitern, wer Herr im Hause ist.“ Ob solche Rezepte auch in deutschen Unternehmen greifen, ist jedoch zu bezweifeln. Sun rät ihren Landsleuten daher zum diplomatischen Auftritt: „Prüfen Sie in Deutschland gründlich, ob ein Feuer wirklich nötig ist, um sich Respekt zu verschaffen“, lautet ihre Devise.

Sun weiß, wovon sie spricht. Die 37 Jahre alte Chinesin hat nach der Schule in Schanghai in Kiel Betriebswirtschaftslehre studiert und seitdem von Deutschland aus Unternehmen in beiden Ländern beraten, bevor sie 2006 zur Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young wechselte. Fünf Jahre später avancierte sie zur Partnerin von EY und leitet heute die Abteilung China Business Services, in der Geschäftskunden aus der Volksrepublik bei ihrer Expansion in Deutschland betreut und beraten werden.

Die Expertise von Sun und ihren Branchenkollegen ist begehrt, seitdem die Zukäufe von chinesischen Unternehmen in Deutschland kräftig zulegen. Führende Anbieter aus dem Reich der Mitte folgen der Aufforderung ihrer Regierung und kaufen Betriebe in Europa, um sich Zugang zu Wissen, Technik sowie neuen Kunden und attraktiven Märkten zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund wird die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Unternehmenskulturen in beiden Ländern miteinander harmonieren, zur Nagelprobe für Manager und Betriebsräte.

Leisetreter in deutschen Chefetage

Vor allem im deutschen Mittelstand gewinnt die Einkaufswelle aus Fernost zunehmend an Dynamik. Allein im vergangenen Jahr haben chinesische Unternehmen 36 Übernahmen in Deutschland vollzogen – deutlich mehr als im Jahr zuvor, in dem 28 Transaktionen gezählt wurden, und in jedem anderen Land in Europa, heißt es in einer Studie von EY, die vor kurzem veröffentlicht wurde. Vor fünf Jahren wurden hierzulande sogar nur zwei Zukäufe aus dem Reich der Mitte gezählt. Begehrte Übernahmeziele sind Spezialisten in der Autoindustrie und im Maschinenbau. „Um ihre Wettbewerbsfähigkeit im Weltmarkt zu erhöhen, haben chinesische Unternehmen an innovativer Technologie sowie an jenen Unternehmen Interesse, die global gut aufgestellt sind“, sagt Sun. Sie geht davon aus, dass sich die Einkaufstour aus Fernost rasant fortsetzen wird.

So liegen ihr seit Jahresbeginn schon 40 unverbindliche Kaufanfragen zu deutschen Unternehmen vor, bei denen jedoch offen ist, ob sie zu konkreten Transaktionen führen. Auch Experten des Wirtschaftsprüfers KMPG wetten darauf, dass die Bande zwischen deutscher und chinesischer Industrie immer enger werden. Für generellen Auftrieb sorgt zunächst die Lockerung von Vorschriften in China, die Unternehmen beim Gang ins Ausland die dafür erforderlichen Investitionen erleichtern – durch weniger Bürokratie und schnelle Genehmigungsverfahren. Stärker fällt ins Gewicht, dass gerade in jüngster Zeit die Bereitschaft auf deutscher Seite gewachsen ist, die neuen Eigentümer aus dem Ausland ohne große Vorbehalte zu akzeptieren.

Mehr noch: Sie wähnen sich nach dem Eigentümerwechsel sogar in guten Händen. In den meisten Fällen als unbegründet erwiesen hat sich etwa die Furcht, dass die Hausherren aus China die Produktion an kostengünstigere Standorte verlagern oder aber über ihren Einstieg nur technisches Wissen absaugen wollen. Das jedenfalls ist der Tenor von Managern in mittelgroßen Betrieben, die seit Jahren über einschlägige Erfahrungen mit chinesischen Eigentümern verfügen und darüber vor wenigen Wochen auf einem Fachseminar von KPMG berichteten. Im Gegensatz zum selbstbewussten Hauruck-Stil von amerikanischen Eigentümern oder Investoren gelten ihre chinesischen Pendants eher als Leisetreter in deutschen Chefetagen. Sie sind bereit, geduldig zuzuhören, Details zu verstehen und auch komplexe Sachverhalte zu erfassen, lobt Dietrich Eickhoff.

Kulturfibel als Pflichtlektüre

Der Manager arbeitete zuvor beim deutschen Maschinenbauer FAG und dem amerikanischen Caterpillar-Konzern, bevor er an die Spitze des Großnähmaschinen-Herstellers Dürkopp Adler rückte. Das Unternehmen in Bielefeld gehört seit Jahren zur chinesischen Shanggong-Gruppe. Auf die Rückendeckung seines finanzstarken Eigentümers, der gerade in schwieriger Zeit genügend frisches Kapital zuschoss, kann sich Eickhoff seitdem verlassen: „Mit einem westlichen Investor hätten wir die Krise von 2009 wohl kaum überlebt“, glaubt er. Wenn Eickhoff aus privaten oder geschäftlichen Gründen die Volksrepublik bereist, gehört das Buch „Ost trifft West“ der in Berlin lebenden Designprofessorin Yang Liu, erschienen im Verlag Hermann Schmidt Mainz, zur Pflichtlektüre.

Das handliche Büchlein für unterwegs ist eine Art graphische Kulturfibel: Sie enthält Piktogramme, die typische Unterschiede bei Denkweisen und gesellschaftlichen Umgangsformen zwischen China und Deutschland optisch auf den Punkt bringen. „Auch wenn ich die wichtigsten Unterschiede in der Kultur unserer Unternehmen längst verinnerlicht habe, möchte ich auf den schnellen Blick in das Buch nicht verzichten“, sagt Eickhoff. Dass sich dennoch größere kulturelle Hürden zwischen beiden Unternehmenswelten auftun, ist unter Kennern unstrittig. „Es braucht daher Zeit und viel Geduld, um solche Blockaden zu überwinden“, räumte Xiangyang Jiang, leitender Manager von Sany Heavy Industry, auf dem KPMG-Seminar ein.

Der chinesische Baukonzern hatte im März 2012 mit dem Kauf des Mittelständlers Putzmeister für Schlagzeilen in Deutschland gesorgt. Die spektakuläre Transaktion löste allerdings schon nach kurzer Zeit interne Reibereien aus. Nur anderthalb Jahre nach dem Einstieg trennte sich Sany vom damaligen Geschäftsführer Norbert Scheuch. Er habe Putzmeister zwar in Krisenzeiten erfolgreich saniert und umgebaut, lautete die knappe Begründung. Aber für eine gemeinsame Expansion außerhalb Chinas werde ein gewiefter Stratege gebraucht. Weiterhin unter deutscher Führung, werde Putzmeister seine unternehmerische Eigenständigkeit, die beiden Werke in Deutschland sowie das technologische Wissen behalten, um sich als global führender Hersteller von Betonpumpen zu behaupten. „In unserer Betriebskantine essen wir auch weiterhin mit Messer und Gabel und nicht mit chinesischen Essstäbchen, aber unsere Verbindung zum Eigentümer ist intensiver und vertrauensvoller geworden“, umschreibt Uwe Misselbeck, Personalchef von Putzmeister, das konstruktive Miteinander.

Sprach- und Kulturbarriere bleibt weiter das größte Problem

Die direkten Eingriffe der chinesischen Hausherren ins Tagesgeschäft ihrer deutschen Tochtergesellschaft fallen nach bisheriger Erfahrung geringer aus als erwartet. Auch die Furcht vor Wirtschaftsspionage erscheint bei einem genauen Blick in die Details als unbegründet. „Viele Chinesen haben beizeiten erkannt, dass ein technischer Vorsprung nur mit motivierten und erfahrenen Mitarbeitern vor Ort aufrechtzuerhalten ist“, sagt EY-Beraterin Sun. Darum bleibe das bestehende Management auch nach einer Übernahme meist intakt, werde aber um weitere Führungskräfte aus China ergänzt, die dann den wirtschaftlichen Erfolg über geeignete Kennzahlen kontrollieren.

Der aktuelle Befund über chinesische Investoren wird auch in deutschen Gewerkschaftskreisen geteilt. Die meisten Käufer aus Fernost hätten eine langfristige Orientierung und legen Wert auf Kontinuität in der Unternehmensführung, lautet der Tenor vieler Betriebsräte, deren Unternehmen neuerdings vom Reich der Mitte aus gesteuert werden. Trotz anfänglicher Skepsis bei Arbeitnehmervertretern, dass Arbeitsplätze im großen Stil abgebaut werden, gebe es aus gewerkschaftlicher Sicht „keinen Grund, Investoren aus dieser Region zu verteufeln“, heißt es in einem internen Fazit der IG Metall.

Als wichtigste Herausforderung bleibt das Sprachen- und Kulturproblem, sagen Kenner beider Welten. Trotz des Einsatzes professioneller Dolmetscher gingen häufig die eher beiläufigen, aber für die Stimmung wichtigen „Botschaften zwischen den Zeilen“ verloren. Wer solche Schwächen in der Kommunikation abstellen und auf Augenhöhe mit seinem Gegenüber aus Asien bleiben will, kommt an intensivem Sprachtraining und regelmäßigem Austausch mit der anderen Kultur nicht vorbei, ist Beraterin Sun überzeugt. Sie selbst hat ja bewiesen, wie das in Deutschland funktionieren kann.

Quelle: F.A.Z.

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