Glutamat im asiatischen Essen. Macht schlank oder krank ?

Gefährlich oder nicht, das ist hier die Frage: Der Geschmacksverstärker Glutamat ist stark umstritten. In jedem Fall ist der am häufigsten verwendete Zusatzstoff der Lebensmittelindustrie mehr als nur ein Würzmittel: Glutamat ist ein für den Zellstoffwechsel wichtiger Botenstoff im Gehirn.

An einer unscheinbaren chemischen Verbindung scheiden sich die Geister. Der Geschmacksverstärker Mononatrium-Glutamat – meist kurz Glutamat genannt – gilt den einen als „Gefräßigmacher, der maßgeblich zu Übergewicht und Fettleibigkeit beiträgt“. So der Kinderarzt und Buchautor Michael Hermanussen. In schrillen Tönen prangert er den am häufigsten verwendeten Zusatzstoff der Lebensmittelindustrie an. Von manchen Forschern wird Glutamat für Unverträglichkeitsreaktionen wie Übelkeit und Kopfschmerzen (das Chinarestaurant-Syndrom) verantwortlich gemacht.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn rufen dagegen zur Gelassenheit auf: „Wir gehen davon aus, dass bei rationaler Verwendung im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung keine Gesundheitsgefahr durch Glutamat besteht, erklärt eine Sprecherin der DGE.

Glutamat, das Salz der Glutaminsäure, ist natürlicher Bestandteil zahlreicher Nahrungsmittel wie Tomaten, Schinken oder Käse. Daneben wird die Substanz mithilfe von Bakterien synthetisch hergestellt. Sie ist weltweit als Würzmittel beliebt. Asiaten verwenden sie in Pulverform zum Kochen, hierzulande kommt sie vor allem als Geschmacksverstärker mit dem Kürzel E621 in der industriellen Lebensmittelproduktion zum Einsatz.

Schätzungen zufolge werden pro Jahr weltweit 1,5 Millionen Tonnen hergestellt. Auch in Deutschland ist E621 zum wichtigsten Zusatzstoff für Fertignahrung geworden. Pizzen, Knabberartikel, Suppen, Wurst und viele andere Produkte bekommen dank Glutamat eine fleischig-würzige Note, den sogenannten Umami-Geschmack (japanisch für Köstlichkeit). Lebensmittelhersteller können so an teuren Rohstoffen wie Fleisch, Shrimps oder Käse sparen.

Der Japaner Kikunae Ikeda entdeckte das Mononatrium-Glutamat 1908. Heute gilt Umami als fünfte Grundgeschmacksrichtung neben salzig, sauer, süß und bitter.

Glutamat ist jedoch viel mehr als nur ein Würzmittel. Als Botenstoff im Gehirn spielt es eine wichtige Rolle im Zellstoffwechsel.

Hier beginnen die Bedenken gegen die Verwendung von Glutamat im industriellen Maßstab. Die Liste der Verdachtsmomente ist lang. In den 70er-Jahren wurden in den USA erste Fälle bekannt, in denen Glutamat nach dem Besuch asiatischer Imbisslokale akute Beschwerden wie Kopfschmerzen und Taubheitsgefühle ausgelöst haben soll. In Doppelblindversuchen bei Personen, die nach eigenen Angaben unter dem Chinarestaurant-Syndrom leiden, ließ sich jedoch seither kein Zusammenhang zwischen Glutamatkonsum und den Beschwerden nachweisen.

Eine Doppelblindstudie ist ein Experiment, bei dem weder Testpersonen noch Versuchsleiter wissen, welche Probanden der Experimental- und welche der Kontrollgruppe angehören.

Deutlich schwerer als das insgesamt eher selten dokumentierte Chinarestaurant-Syndrom wiegt ein anderer Vorwurf: Glutamat schädige langfristig das Gehirn und könne zu gravierenden Erkrankungen wie Alzheimer oder auch Parkinson führen, warnen einige Wissenschaftler.

„Seit 1969 ist bekannt, dass Glutamat neurotoxisch wirkt und Hirnzellen töten kann, sagt Hans-Ulrich Grimm, profilierter Kritiker der Lebensmittelindustrie. Viele neurodegenerative Erkrankungen gehen mit einem erhöhten Glutamatspiegel im Gehirn einher. In der Folge kommt es zu vermehrtem Absterben von Gehirnzellen. Unklar ist bislang, ob Glutamat die Krankheiten kausal bewirkt oder ob der Glutamatspiegel erst nach Auftreten von Demenz oder Alzheimer steigt.

Schließlich wird Glutamat nachgesagt, für zunehmendes Übergewicht und Fettsucht in den Industrieländern mitverantwortlich zu sein. „Es gibt seit Kurzem erste Hinweise darauf, dass ein Zusammenhang zwischen dem Glutamatverbrauch und Übergewicht bestehen könnte“, räumt auch die DGE ein.

Für Aufsehen sorgte 2008 eine Studie mit 750 Chinesen. Forscher der Universität North Carolina fanden, dass Probanden, die reichlich Glutamat verwendeten, mehr Gewicht auf die Waage brachten als jene, die sparsam damit umgingen. „Um die Hypothese zu erhärten, sind aber weitere Studien nötig“, so die DGE.

Der Kieler Professor Michael Hermanussen ist schon jetzt überzeugt: „Glutamat greift massiv in die Appetitregulation ein.“ Seine These: Eine mögliche Ursache von Fettsucht ist eine neurologische Störung, die die natürliche Sättigungsregulation zusammenbrechen lässt. Einen ersten Beleg brachte der Forscher mit einem Versuch, bei dem er acht Versuchspersonen Glutamat-Rezeptor-Blocker verabreichte. Sie verhindern die Aufnahme des Botenstoffs im Gehirn. Das Ergebnis: Die Teilnehmer berichteten von deutlich geringerem Appetit und verloren an Gewicht. Dennoch sei diese Methode nicht zur Gewichtsreduktion zu empfehlen, da sie noch nicht ausreichend untersucht ist.

Verbraucherschützer bemängeln, dass Glutamat in der Zutatenliste selten genannt wird. Das Lebensmittelrecht gestattet den Produzenten, auf andere Bezeichnungen auszuweichen, die harmloser klingen. Die Decknamen lauten etwa „Würze, „Aroma“ oder „fermentierter Weizen“. Biohersteller tarnen Glutamat gern als „Hefeextrakt“.

Von Andrea Exler

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